Statusfeststellungsverfahren - erstärkte Überprüfungen wegen Scheinselbständigkeit
Scheinselbständigkeit - Nachzahlungspflichten des Arbeitgebers
Nicht selten vereinbaren Auftraggeber und Auftragnehmer eine freie Mitarbeit, ohne zuvor oder gleichzeitig bei der Deutschen Rentenversicherung ein Statusfeststellungsverfahren durchzuführen. Stellt sich später heraus, dass der vermeintliche freie Mitarbeiter als abhängig Beschäftigter zu beurteilen ist, muss der Auftraggeber mit erheblichen finanziellen Folgen rechnen.
Wird erst in einer Betriebsprüfung festgestellt, dass ein Auftragnehmer nach dem Sozialversicherungsrecht eigentlich ein Arbeitnehmer ist, dann kann es richtig teuer werden.
Der Auftraggeber muss dann für die Vergangenheit die Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen.
Es gilt, dass der Versicherungsträger aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles entscheidet, ob eine sozialversicherungsrechtliche Beschäftigung vorliegt und mithin Beitragspflicht besteht oder nicht. Die Beweislast liegt beim Versicherungsnehmer. Dabei wird auf die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses abgestellt. Es kommt also gar nicht auf den Wortlaut des Vertrages an, sondern darauf, wie der Vertrag gelebt wird.
Typische Anhaltspunkte für eine versicherungspflichtige Beschäftigung sind dabei eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Weitere wichtige Indizien sind:
Verpflichtung des Auftragnehmers, angebotene Aufträge anzunehmen
Persönliche Leistungsverpflichtung
Monatlich feststehende Vergütung oder Stundenlohn
Für die Auftraggeber ist die Vermeidung der sog. Scheinselbständigkeit deshalb wichtig, weil der Auftraggeber für die Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile) haftet. Die Sozialversicherungsträger können die Beiträge bis zu 4 Jahre, bei vorsätzlicher Vorenthaltung sogar bis zu 30 Jahre, rückwirkend geltend machen (§ 25 SGB IV). Ein Rückgriff des Arbeitsgebers gegenüber dem Mitarbeiter wegen der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung ist nur in sehr engen Grenzen, nämlich durch Einbehalt beiden folgenden drei monatlichen Vergütungszahlungen zulässig (§ 28 g SGB IV).
Bestehen bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung der Erwerbstätigkeit Zweifel, ob es sich um eine Beschäftigung oder um eine selbstständige Tätigkeit handelt, kann eine Statusfestellung durch die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund beantragt werden, § 7 a SGB IV. Den Antrag können sowohl der Auftraggeber als auch der Auftragnehmer stellen. Es besteht dabei die Möglichkeit, soweit eine Versicherungspflicht des Auftragnehmers/Arbeitnehmers besteht, diese erst mit Bekanntgabe der Entscheidung eintreten zu lassen. In diesem Fall können Beitragsforderungen für zurückliegende Zeiträume verhindert werden.
Ein weiterer Aspekt der Scheinselbstständigkeit ist die mögliche Strafbarkeit wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§266a StGB). Anwaltlicher Rat ist dahingehend dringend zu empfehlen.
Die aktuelle Entscheidung zur Scheinselbstständigkeit
Die Angeklagten betrieben eine große Champignonzuchtanlage. Sie setzten zunächst in großem Umfang polnische Staatsangehörige als Saisonarbeiter ein. Auf Anregung der Angeklagten meldeten später drei zuvor für die Angeklagten tätige Saisonarbeiter in Polen jeweils ein Gewerbe an. Mit diesen schlossen die Angeklagten als "Werkverträge" bezeichnete Verträge ab. Die Erfüllung dieser Verträge erfolgte unter Einsatz der bereits früher für die Angeklagten tätigen polnischen Arbeitnehmer, die nunmehr formal als Selbständige auftraten. Entgegen der gewählten vertraglichen Gestaltung waren alle Vertragspartner weiter in den Betriebsablauf des Unternehmens der Angeklagten eingegliedert und erhielten Weisungen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte mit Beschluss vom 04.09.2013 - 1 StR 94/13 - die Verurteilung der Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gemäß § 266a StGB.
Ob eine Person Arbeitgeber im Sinne von § 266a StGB ist, richtet sich nach dem Sozialversicherungsrecht. Die in der Rechtsprechung des BGH herangezogenen Kriterien für die Beurteilung des Vorliegens eines Beschäftigungsverhältnisses stimmen mit der Rechtsprechung des Bundesarbeits- und des Bundesozialgerichts überein.
Fazit:
Bei Scheinselbstständigkeit ergeben sich weit reichende Konsequenzen über das Sozialgesetzbuch IV hinaus.
Da für den Auftraggeber ein erhebliches Risiko besteht, ist der sicherste Weg das Statusfeststellungsverfahren einzuleiten.
Bei Fragen stehen wir gerne zur Verfügung.
Ihre Ansprechpartnerin ist Frau Rechtsanwältin Steeb.